Der Hof Haddorf

Der Hof Hardorppe wird erstmals im Jahr 1204 erwähnt, als Herzog Heinrich, Pfalzgraf bei Rhein, ihn mit allem Zubehör dem Benediktinerkloster St. Marien vor Stade überträgt. Entstanden ist dieser Hof - eine curia -, zu dem immerhin ein relativ ausgedehnter Besitz gehört, der in der Urkunde beschrieben wird, kurz vor oder in Verbindung mit der fränkischen Landnahme, Eroberung und Christianisierung des sächsischen Stammesgebiets am Ende des 8. Jahrhunderts.

Ein vergleichbarer Königshof mag zur selben Zeit auch im späteren Stade, auf der höchstgelegenen Stelle auf dem Pferdemarkt, angelegt worden sein. Der Herrensitz in Stade, in dessen Schutz sich die Hafenmarktsiedlung entwickelte, war offensichtlich spätestens seit dem 10. Jahrhundert im Besitz der Grafen von Harsefeld-Stade. Nach dem Tod des letzten Grafen, Rudolf II., 1144 entwickelte sich ein fast 100 Jahre andauernder Erbstreit zwischen den Erzbischöfen von Bremen - der letzte männliche Nachkomme der Grafen, Hartwig, war 1148 Erzbischof von Bremen geworden - und Heinrich dem Löwen bzw. den welfischen Herzögen von Sachsen. Heinrich dem Löwen gelang es zunächst, ziemlich unangefochten in den Besitz des Erbes zu gelangen; erst nach der vorübergehenden Absetzung und Verbannung Heinrichs des Löwen 1180/81 brachen wieder neue Auseinandersetzungen aus, und es gelang den Bremer Erzbischöfen, wieder Einfluß in der Stadt zu gewinnen.

Erst 1202 konnte Pfalzgraf Heinrich, Sohn Heinrichs des Löwen und Bruder Ottos IV., gemeinsam mit seinem Bruder erneut die Stadt Stade von Erzbischof Hartwig II. zurückerobern. Als er sich jedoch 1204 gegen seinen Bruder wandte und sich dem von den Staufern gewählten Gegenkönig Philipp von Schwaben anschloß, mußte er gegen die Bestätigung seines Besitzes in der Rheinpfalz das Stader Gut räumen.

Genau in diese Tage fällt die Schenkungsurkunde für das Benediktinerkloster St. Marien vor Stade, eine in zweifacher Hinsicht politische Schenkung. Zum einen war Heinrichs Frau Agnes, eine Nichte Kaiser Friedrich Barbarossas, nach ihrem Tod Anfang Mai 1204 dort, im Kloster, beigesetzt worden. Dies nennt auch die Urkunde als Grund der Schenkung. Die Aufnahme in das von den Stader Vögten 1142-44 gestiftete Kloster war dabei sicher auch gegen den Bremer Erzbischof Hartwig II. gerichtet, der im Laufe des Jahres 1204 wieder die Herrschaft über die Stadt gewann, und unterstrich die feste Stellung des Pfalzgrafen Heinrich in der Stadt.

Die Urkunde umschreibt auch die Grenzen des Hofes. Er reicht von der Osterbek bei Mittelsdorf zum Bischofsgraben gegen Schölisch, von dort zur Hasenbek gegen Stade und schließlich bis nach Wiepenkathen. Dort im Gebiet von Wiepenkathen gehören zum Hof noch ein Sumpf mit dem Hügel "Goseberch" und einige Äcker der Hanloge; der Sumpf wird von zwei Liten bebaut. Die das Land jetzt oder in Zukunft bebauenden Hörigen werden von allen Diensten und Abgaben freigestellt, so wie früher die Hörigen der Kirche in Hollern bereits früher davon befreit worden sind.

Auch wenn aus dem Text der Urkunde nicht zu entscheiden ist, wie viele Bauernstellen zum Hof Haddorf gehörten, so ist immerhin allein aus dem Namen anzunehmen, daß von Beginn an eine kleine bäuerliche Siedlung bei dem Hof und vielleicht schon vor diesem bestanden hat. Der Ortsname besteht aus zwei Teilen, "Har" und "dorppe"; Har/hor bedeutet im Mittelniederdeutschen Sumpf oder Morast, so daß der Name Haddorf also frei mit "Dorf im Sumpf" zu übersetzen ist. Der zweite Namensteil -dorf deutet darauf hin, daß die Siedlung bereits im frühen Mittelalter angelegt worden ist.